Temperaturen bis über 1.000 °C, Funkenflug, Staub und Wasserdampf. Die Arbeitsumgebung in der Stahl- und Metallproduktion ist nichts für schwache Gemüter… und genauso wenig für sensible Technologien geeignet. Konventionelle Messtechnik kommt hier schnell an ihre Grenzen, wenn es um die Erhebung zuverlässiger Daten geht. Dieses Problem will die mecorad GmbH lösen. Das 2018 gegründete Start-up hat seinen Sitz in Chemnitz – genau in der Stadt, in der die industrielle Revolution in Sachsen ihren Ausgang nahm. Nun wollen die Gründer Dr. Marc Banaszak, Cagdas Ünlüer und Andreas Heutz von hier aus die digitale Transformation der Stahl- und Metallindustrie vorantreiben. Auf Basis der Radartechnologie hat das mecorad-Team extrem robuste Messsensoren entwickelt und zusammen mit sächsischen Forschungseinrichtungen für den Praxiseinsatz optimiert. Damit lassen sich Werkstoffe äußerst präzise und noch im laufenden Herstellungsprozess vermessen.
Hier geht es heiß her: Breitenmessung in einer Warmwalzstraße mittels mecorad Sensorik
Selbst unter den Extrembedingungen im Stahlwerk liefern die mecorad Sensoren mikrometergenaue Echtzeit-Daten und so die Grundlage für eine verbesserte Ressourceneffizienz. Den Proof of Concept hat mecorad bereits mit mehreren Industriekunden erbracht. Der luxemburgische Edelstahlproduzent Aperam zeigte sich so überzeugt, dass er jetzt einen Schritt weiter ging und in das sächsische Unternehmen investierte. Die MBG hatte sich bereits 2021 an mecorad beteiligt. In der jüngsten Finanzierungsrunde bekräftigten sie und auch der FTTF - Fraunhofer Technologie-Transfer Fonds ihre Bestandsinvestments. So kann die internationale Expansion nun auf einer gestärkten Kapitalbasis aufbauen.
Wie mecorad die MBG für sich gewinnen konnte, berichtet Investment Manager Vincent Kretzschmar: „Als wir mecorad im Jahr 2021 kennengelernt haben, überzeugte uns neben dem ambitionierten und mit komplementären Fähigkeiten ausbalancierten Gründerteam vor allem der Innovationsgrad ihrer radarbasierten Messlösungen.“ Trotz allen Potenzials sah sich mecorad wie viele andere Start-ups damals mit den wirtschaftlichen Auswirkungen der Coronapandemie konfrontiert. mecorad-Geschäftsführer Dr. Marc Banaszak erinnert sich: „In dieser Situation stellte die MBG vergleichsweise schnell und unbürokratisch Kapital bereit. Als eine von mehreren Finanzierungssäulen erlaubte uns das Investment, die herausfordernde Pandemiephase zu überwinden.“ Die Finanzmittel stammten aus dem kurzfristig aufgesetzten Hilfsfonds für Start-ups, den der Bund (über die KfW) und Freistaat Sachsen (über die SAB) gemeinsam mit der MBG finanzierte. Die MBG nahm in Sachsen außerdem die Funktion des Intermediärs ein.
die mecorad Gründer Cagdas Ünlüer, Dr. Marc Banaszak und Andreas Heutz (v.l.n.r.)
Die aktuelle Finanzierungsrunde von mecorad nahm die MBG zum Anlass, erstmals Anteile zu zeichnen und das Unternehmen zukünftig als Gesellschafter noch intensiver zu unterstützen. Dafür gab es gute Gründe, wie Vincent Kretzschmar erklärt: „Seit unserem Erstinvestment wurde durch zahlreiche Kundenanfragen eindrucksvoll unter Beweis gestellt, dass die innovative Messtechnologie von mecorad in der Stahl- und Metallindustrie auf eine enorme Nachfrage stößt.“ Der neue strategische Investor aus eben dieser Branche ist für die MBG richtungsweisend: „Durch die Beteiligung von Aperam Ventures bekommt das Chemnitzer Start-up nun auch die Unterstützung eines Global Players der Stahlindustrie, um die geplanten Expansionsbestrebungen umzusetzen.“
der radbasierte Messsensor von mecorad wird vor Ort in Chemnitz gefertigt
Die Beteiligung durch Aperam Ventures, dem VC-Arm von Aperam, kam nicht von ungefähr. Aperam war der erste internationale Pilotkunde von mecorad. In einem gemeinsamen Projekt entwickelte mecorad u. a. ein zum Patent angemeldetes Verfahren zur Geometrievermessung im Stranggussverfahren. Während klassische Prüfverfahren erst dort ansetzen können, wo der Werkstoff schon erkaltet ist, ermöglicht die mecorad-Technologie eine Vermessung des noch frisch gegossenen und glühend heißen Stahlstrangs. Welche Vorteile das mit sich bringt, erläutert Dr. Marc Banaszak: „Durch unsere radarbasierte Messtechnologie können Normabweichungen im Produktionsprozess 30 bis 45 Minuten eher erkannt werden als mit herkömmlichen Verfahren. So erhalten Produktionsverantwortliche die Gelegenheit, frühzeitig nach zu justieren und unnötigen Materialausschuss zu vermeiden. Das wiederum senkt den Energieverbrauch und die CO2-Emissionen.“ Gerade in der ressourcenintensiven Stahlproduktion ist eine kontinuierliche Überwachung des Produktionsprozesses unerlässlich, um effizient und nachhaltig wirtschaften zu können. In Zeiten gestiegener Rohstoff- und Energiepreise sind Stahlproduzenten rund um den Globus bestrebt, Einsparpotenziale aufzudecken und auszunutzen. „Mit dem frisch eingesammelten Kapital wollen wir vor allem auch den Vertrieb personell verstärken, um das Geschäft in Europa weiter auszubauen und den Markteintritt in Nordamerika zu forcieren“, hält Dr. Marc Banaszak fest. In Übersee sieht er großes Wachstumspotenzial, denn die Stahlindustrie dort habe in puncto Automatisierung noch Einiges an Nachholbedarf.
die mecorad-Technologie erlaubt eine Vermessung direkt im Produktionsprozess
Zugleich weiß der Firmenchef um die Standortvorteile in der mecorad-Heimat. Viele Jahre schon ist er ganz nah dran an der Gründungslandschaft in Südwestsachsen. Bei dem Gründungsnetzwerk SAXEED, das sich für hochschulnahe Gründungen in der Wirtschaftsregion Chemnitz-Freiberg-Mittweida-Zwickau einsetzt, war er von 2006 bis 2015 tätig, zuletzt in leitender Funktion. Ursprünglich kam der Nordrhein-Westfale für seine Promotion an der TU Chemnitz nach Sachsen. Seither engagiert er sich im Bereich Technologietransfer. Nachhaltig beeindruckt hat ihn die sächsische Forschungslandschaft, von der auch mecorad schnell profitieren sollte: „Wir haben die Kooperationsmöglichkeiten vor Ort von Beginn an aktiv genutzt und Verbindungen in die Forschung aufgebaut. Vom Material-Wissen bis zum Prozess-Knowhow finden wir hier in Südwestsachen mehrere Forschungsfelder vor, die für unsere Technologie relevant und in dieser Kombination deutschlandweit einzigartig sind.“ So kooperiert mecorad eng mit dem Fraunhofer-Institut für Werkzeugmaschinen und Umformtechnik IWU in Chemnitz. Seit gut einem Jahr leitet man außerdem ein Forschungsprojekt am Institut für Nichteisen-Metallurgie und Reinststoffe (INEMET) der TU Bergakademie Freiberg, an dem auch das Institut für Eisen- und Stahltechnologie als Projektpartner mitwirkt. Perspektivisch soll die mecorad-Technologie auch noch in weitere Produktionsbereiche eingeführt werden. Wer den Extrembedingungen im Stahlwerk standhält, der dürfte auch den Anforderungen anderer Branchen gerecht werden. Die Einsatzmöglichkeiten für die Radarsensoren sind jedenfalls schier grenzenlos.
Bildquelle: mecorad GmbH
Deal-Team der MBG:
Tobias Voigt, Teamleiter Start-Up Investmens
Telefon +49 160 3515409
tobias.voigt@mbg-sachsen.de
Vincent Kretzschmar, Junior Investment-Manager
Telefon +49 151 534298-69
vincent.kretzschmar@mbg-sachsen.de